Die jüdische Kabbala ist bei uns in ein
falsches Licht geraten, nachdem sie häufig mit magischen Praktiken oder
Okkultismus in Zusammenhang gebracht wird. Gleichzeitig gibt es nur wenige
Bücher und Texte in deutscher Sprache, die der Kabbala in ihrer spirituellen
Weite und Tiefe gerecht werden.
Die folgenden Auszüge aus einer
Korrespondenz zwischen Birgit John von der "Gruppe Mystik" bei rpi-virtuell* und
Peter Staaden, der sich unter anderem durch die Adaption und Übersetzung
authentischer kabbalistischer Texte, sowie der Präsentation einer informativen
Kabbalahomepage(http://kabbala-info.net)
bemüht, einen authentischen Einblick in die Kabbala im deutschsprachigen Raum zu
vermitteln, sollen dieses falsche Bild der Kabbala zurechtrücken und ein erstes
seriöses Verständnis ermöglichen.
Frage:
Die Kabbala ist bei uns als
magische oder "mystizistische" Geheimlehre in Verruf geraten. Ist sie das bzw.
was will die Kabbala wirklich?
Antwort:
Vorab sei gesagt: Kabbala studieren ist höchst
schwierig. Einerseits erfordert es einen wachen und gesunden Verstand,
andererseits ein ehrliches Herz. Für deutschsprachige Personen existieren
nur sehr wenige gehaltvolle Übersetzungen der authentischen Kabbala. Personen
die kabbalistische Texte auch in englischer oder hebräischer Sprache verstehen,
können tiefgreifendere Materialien in Form von Büchern oder Texte im Internet
vorfinden.
Die Meinungen darüber, welche Vorraussetzungen
erfüllt sein müssen, um ein Kabbalastudium zu beginnen, gehen unter den
Kabbalisten und Rabbinern weit auseinander. Viele warnen vor einer Beschäftigung
mit den Heiligen Texten der Kabbala ohne vorher Talmud und Tora ausgiebig
studiert zu haben. Andere wiederum sind in ihrer Einschätzung liberaler und
glauben, jede Person könne sich der Kabbala gefahrlos
annähern.
Die eine Seite betont, dass ein Studium der Kabbala
außerhalb eines jüdischen Kontextes, ohne langjähriges Studium der Judaistik und
tiefgreifende Kenntnisse der Tora und Halacha, ohne profunde Kenntnisse der
Hebräischen Sprache nicht möglich sei, sich sogar schädlich auswirken könne. Die
andere Seite postuliert, dass jede Seele, gleich welchen Geschlechtes und
Alters, welcher Kultur oder Religionszugehörigkeit, sogar unbedingt Kabbala
studieren müsse, um das Ziel des Lebens erreichen zu können. Kabbalisten die
diese Ansicht vertreten sagen auch, sie hätten die Erlaubnis von Oben, die
Kabbala jeder Person bis zu einem bestimmten Grade oder sogar uneingeschränkt zu
enthüllen, und es genüge ein "ehrlicher Wunsch Kabbala studieren zu wollen", um
die Korrektur (Tikun) durch ein Lesen authentischer Texte in Gang zu
setzen.
Aufgrund dieser widersprüchlichen Aussagen kann es
fpr bestimmte Seelen eventuell hilfreich sein, sich selbst einen
historisch-kausalen Überblick über die komplizierte Materie zu verschaffen.
Hierfür können die Betrachtungen über die Kabbala, die Bücher
von Gershom Scholem ("Die
jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen","Zur
Kabbala und ihrer Symbolik") geeignet sein. Danach ist man eventuell besser
in der Lage, die unterschiedlichen kabbalistischen Linien einzuschätzen, und
sich ersten weiterführenden Texten zuzuwenden.
Die
Lurianische Kabbala des großen Kabbalisten ARI, sowie der chassisdische
Zweig der Kabbala, basierend auf den Lehren des Baal Shem Tov und Rabbi Nachman
sind aus meiner Sicht ein guter Weg, um die Kabbala näher
kennenzulernen.
Begleitend, ist es empfehlenswert und
förderlich, sich mit dem Werk
Friedrich Weinrebs eingehend auseinander zusetzen. Friedrich Weinreb war
eine Ausnahmeerscheinung im Judentum des 20. Jahrhunderts. Die Tora und die
Kabbala wird durch ihn, in der Sprache der heutigen Zeit, einfühlsam und
verständlich gelehrt. Weinrebs Bücher und Vorträge dienen als Einleitung in ein
neues Denken, und er bringt uns die "Jüdische Heilige Mündliche Lehre" auf
unbeschreiblich warmherzige Weise nahe. Insbesondere seine Bücher: "Schöpfung im Wort" und
"Vor
Babel" sowie "Der
Weg durch den Tempel" können studiert werden.
Die authentische Kabbala ist eine exakte
Wissenschaft. Diese Wissenschaft beschäftigt sich mit der Welt, die wir mit
unseren fünf Sinnen begreifen, während die Kabbala die Wissenschaft ist, welche
die Welt untersucht, die nur mittels des 6.Sinnes begriffen werden kann, der die
Seele genannt wird. Kabbala ist die Weisheit der Seele.
Die Weisheit der Kabbala hat keine Verbindung mit
Esoterik, Magie oder Okkultismus, obwohl diese Verbindungen immer wieder
hergestellt werden. Das einzige geheime oder verschlossenen (mystische) an der
Kabbala ist das intime Verhältnis, das jeder Mensch zum Schöpfer aufbauen
sollte.
Allgemein betrachtet beschreibt die
Kabbala uns höchst exakt den Aufbau der spirituellen Welten und lehrt uns, was
die Wurzeln der von uns wahrgenommenen materiellen Welt sind. Die Kabbala
erklärt ebenso eine Methode der inneren Korrektur des persönlichen Verlangens,
die uns vom Egoismus hin zum Altruismus bringen kann.Numerologie, Wahrsagerei usw. die vielen esoterischen Halbweisheiten die von der Kabbala abgeleitet wurden, haben nichts mit der authentischen Kabbala gemeinsam. Die Kabbala untersucht vielmehr das Zusammenspiel der unterschiedlich erscheinenden Kräfte und Erscheinungsformen, den offensichtlich vorzufindenden Egoismus der werdenden Menschen in dieser Welt, der als Wunsch zu Empfangen bezeichnet wird.
Jede die Kabbala studierende Person sieht anfangs
etwas anderes in den Texten der Kabbala, gemäß der spirituellen Stufe auf der
sie steht, gemäß ihrer Intention, oder wie die Kabbalisten sagen, gemäß des
eigenen Willens zu empfangen. Deshalb wurde und wird die Kabbala entsprechend
dieses Willens zu empfangen, auch auf den unterschiedlichsten Niveaus
missverstanden, oder so wie es sein sollte, korrekt erarbeitet und erfasst.
Dies erklärt auch die Unzahl an widersprüchlichen
Kabbalabüchern, die von Autoren verfasst wurden, die den Korrekturprozess bis zu
einem bestimmten Grade durchlaufen haben, und ihr eigenes, noch mit Egoismen
durchtränktes, ungenügendes Verständnis über die Kabbala, verbreiten.
Wenn man über längere Zeit die Kabbala erforscht,
gleicht dies einem allmählichen Erfassen, dass der Schöpfer ultimativ GUT ist
(das ist etwas anderes, als das, was wir normalerweise als gut bezeichnen), und
dass man selbst, sehr viele noch nicht korrigierte (ungute, nicht ultimativ
gute) egoistische Eigenschaften besitzt. Der Vorgang diese Attribute zu
verbessern, wird in der Kabbala als Korrektur "Tikun" bezeichnet, sie ist einer
der zentralen Begriffe.
Es geht vereinfacht ausgesprochen darum, zu erkennen,
wie egoistisch und beurteilend man noch ist (Mangel an Licht=Spirituelle
Unreife), und wie viele Teile der Schöpfung man an sich selbst, und um sich
herum, noch nicht annehmen kann und noch nicht zu einer höheren Einsicht
transformiert hat. Es sind die Schleier oder bösen Hüllen (Klipot) die mit Hilfe
der Kabbala nach und nach entfernt (korrigiert) werden dürfen.
Diese innere und äußere kabbalistische Arbeit des
sich Korrigierens, hin zum Höchsten, ist wie bereits gesagt, ein sehr
schwieriger Prozess, und ich kann nur betonen, dass ein Kabbalastudium nichts
Gemütliches an sich hat, oder es darum ginge, permanent schöne erhabene Gefühle
zu erleben.
Das Leben in der Sieben (7), dem Sein (dem Buchstaben
Sajin), dem Le-BEN, ist ja für Jeden auch leidvoll und immer paradox, da wir uns
in der Welt der Dualität befinden. Es ist der Zustand der inneren Verbannung
(Dem Essen vom Baum der Erkenntnis) von G-tt (der Einheit), eines gefallenen
G-ttessohnes, der das Umsonst-Tun, beruhend auf reinem Glauben mit Hilfe der
Wissenschaft der Kabbala erlernen soll.
Dieser höchst schwierige Weg kann nach einigen
Bemühungen, ein anfängliches Gespür vermitteln, wie der Schöpfer ist. Man
entwickelt sich Schritt für Schritt zu einem "Geber ohne Vorbehalt und
Berechnung", oder einem immerwährenden IHM "Umsonst Schenken". Diese Wörter
können jedoch erst korrekt verstanden werden, wenn die Höher Sichtweise erreicht
ist. Vom Verstand aus betrachtet leitet sich ein einseitiges, aus der Dualität
geprägtes Verhalten ab.
Diesen edelsten Grad an Spiritualität zu erreichen,
den ich in meinen mangelhaften Wörtern zu beschreiben versuche, ist das Ziel der
Kabbala. Es wird gesagt, dass eine bestimmte Person zu einem gerechten Menschen
ohne Sünde (Zaddik) werden kann, der Freude am Schenken empfindet und den
Egoismus ablehnt; einem Menschen, dem der Plan der Schöpfung enthüllt wird, und
der immerwährend ein vollkommenes Verständnis der Schöpfung erreicht
hat.
Mit einfacheren Worten gesagt lehrt die Kabbala die
Seele eines werdenden Menschen (die als ein Gefäß für Licht betrachtet wird),
auf ihrem vorgeschriebenen Wege die Begebenheiten und Personen und Gedanken, die
ihr begegnen anzunehmen und mit höchster Wachheit zu reflektieren
(wahrzunehmen). Je höher jemand auf der spirituellen Leiter steigt, desto mehr
erkennt er, wie der Schöpfer in allen Erscheinungen anwesend ist, auch in den
von uns als negativ bewerteten, und wie ER alles zum Guten hin
steuert.
Dieser Weg des Erfassens wird, wie bereits gesagt,
nicht nur über den Vesrtand erreicht, sondern durch das Durchleben der eigenen,
sich steigernden, oft sehr schwierigen Korrektur. Der sich entfaltende Mensch
sollte sich in der Begrifflichkeit der Kabbala einen altruistischen Schirm
(Masach) aufbauen, der ihm erlaubt, das auf ihn Zufallende nicht einfach
egoistisch zu genießen, sondern es zu reflektieren und dem Schöpfer das Licht
"umsonst" zurückzugeben.
Gemäß der Kabbala, werden wir letztendlich alle, am
Ziel des Pfades der Korrektur, des Lebens der Leiden und Freuden, den erfüllten
Zustand von Gmar Tikun, dem Ende der Korrektur erreicht haben, bei dem alle
zerbrochenen Teile, alle Lichtfunken zum Grossen EINEN Feuer, dem Emanator
hervorgebracht SEIN werden.
Bis dahin findet in jeder Person unentwegt eine
leid-freudvolle Licht-Hervorhebung (Leerung|Füllung) nach bestimmten
Gesetzmäßigkeiten (1-4 Prinzip) statt. Der Sinn dieses Vorgangs wird von jeder
Seele mehr oder weniger bewusst wahrgenommen und durch die Wissenschaft der
Kabbala enthüllt.
Frage:
Wenn man sich als das erste
Mal mit der Kabbala beschäftigt, bekommt man den Eindruck, vor einem sehr
komplizierten philosophischen System zu stehen. Geht es darum, diese Texte
intellektuell zu verstehen und was kann jemand tun, dem das Verständnis der
Texte schwer fällt?
Antwort:
Kabbala beginnt dort wo die Philosophie
aufhört.
Die meisten Kabbala-Interessierten suchen nach einem
schnell und leicht erreichbaren, egoistischen Ziel. Sie erwartet, ohne zu wissen
was die Kabbala wirklich ist, einen Zuwachs an Macht, Heilung eines persönlichen
Leidens oder den Erwerb magischer Fähigkeiten. Gemäß ihrer Intention sollte die
Kabbala zumindest einen Hauch von Zauberkunststücken oder einen "persönlichen
Schutz" bieten, den sie durch erlernbare Meditationstechniken, Zahlenmagie oder
das ausführen magischer Formeln erreichen sollten.
Kurzum, möchten viele Personen mit Hilfe bestimmter
materieller logisch-kausaler Formeln, aus dieser Welt heraus, eigene
Vorstellungen mit Hilfe der Kabbala herbeiführen. Solchen Personen sei
versichert, dass sie keinen einzigen Text der authentischen Kabbala zu lesen
brauchen. Denn all dies ist dort nicht vorzufinden.
Kabbala macht nicht reicher, sie macht nicht ärmer,
sie macht einen weder mehr gesund noch krank, nicht machtvoller oder machtloser,
kurzum sie ist zu nichts Logisch-Kausalem nutze oder irgendwie weltlich
berechenbar.
Stattdessen eröffnet die authentische Kabbala, eine
edle Möglichkeit, die höchst schwierige, innere Arbeit an sich selbst zu
verrichten, so wie ich es bereits weiter oben versuchte zu
beschreiben.
Die Kabbala ist auch nicht dazu da, nur den
Wissensdurst zu befriedigen. Das wäre der falsche Ansatz. Kabbala ist die exakte
Wissenschaft der spirituellen Welten und nicht des Verstandes. Je mehr man auch
die scheinbar technischen, intellektuell fordernden Texte "spirituell
gefühlsmäßig" versteht, desto mehr gelingt es auch im "normalen Leben" die
materiellen Dinge spirituell zu betrachten. Doch was sind spirituelle Gefühle?
Die Kabbala hat die Kraft dies zu vermitteln.
Nochmals sei gesagt: Die kausale Methodik spielt in
der Kabbala an aller letzter Stelle eine Rolle! Der
technische Aspekt ist nicht wichtig, sondern nur das Innere der Worte, die
Seele!
Die Kabbala ist daher nicht nur eine in sich stimmige
Wissenschaft, so wie es äußerlich betrachtet erscheinen kann, sondern in erster
Linie eine Kunst des Herzens und des Liebens. Sie erfordert um richtig erfasst
zu werden, eine ganz bestimmte "Fähigkeit des Herzens" die in einer Welt der
Verbannung der Scheschinah, äußerst schwierig zu erlangen ist.
Frage:
Sie empfehlen Interessenten
an der Kabbala, nicht gleichzeitig auch Formen der Meditation zu praktizieren.
Warum?
Antwort:
Kabbala und das, was im allgemeinen als Meditation
verstanden wird, sind zwei unterschiedliche spirituelle Wege und man sollte
sich, aus meiner Sicht, für einen von beiden entscheiden. Ansonsten kommt man
auf keinem der beiden Wege weiter bzw. kann sogar negative und schädliche
Effekte erzielen.
Die Vermischung von kabbalistischen Namen und
Meditation kann eine unreife Person (und viele der Kabbala Interessierten sind
möglicherweise unreifen Personen) während der Meditation spirituell verunglücken
lassen (...die Geister die der Zauberlehrling ruft, wird er dann nicht mehr so
leicht los, bzw. er kann das Erfahrene seelisch nicht integrieren...), und um
dies zu vermeiden, sollte der Schwerpunkt der inneren Arbeit, eines in der
Kabbala-Suchenden, im normalen Alltag und den Schriften gelegt werden, in dem,
was uns der Schöpfer gibt.
Hier ein paar Zeilen zu den Gefahren mystischen
Strebens, die in dem berühmten Bericht des Talmud von den vier Rabbis
wiedergegeben wurde, die sich in den "Pardes", den göttlichen Garten oder das
Paradies, wagten: "Vier betraten den Pardes: Ben Azzai, Ben Zoma, Aher und Rabbi
Akiva. Ben Azzai erhaschte einen Blick und starb. Ben Zoma erhaschte einen Blick
und wurde verrückt. Aher schnitt die Pflanzen. Rabbi Akiva kam heraus in
Frieden."
Es gibt Bereiche in der Kabbala, die von
Außenstehenden als "Praktische Kabbala" bezeichnet werden. Gerade dieser Bereich
ist sehr verführerisch und wird am meisten missverstanden und missbraucht.
Selbst "berühmte" Kabbalisten werden damit in Verbindung gebracht. In
Wirklichkeit ist es so, dass sich die Spirituelle Welt, durch keinen Gedanken
oder keine Tat aus der materiellen Welt (dem Egoismus) heraus beeinflussen
lässt. Diese Wahrheit wird (natürlich) von Personen, die "praktische oder
meditative Kabbala" betreiben völlig übersehen. Sie suchen nach einer
wiederholbaren Formel und einem logisch-kausalen Weg, die Höchste Macht zu
beeinflussen und sie übersehen, dass der G-ttliche Plan keinen egoistischen
Wunsch enthält.
Das bedeutet jedoch nicht, dass ein von Außen
betrachtetes Verhalten eines Kabbalisten, welches an Meditation oder Permutation
von Wörtern erinnert, solch einen Kabbalisten unbedingt als Scharlatan entlarvt.
Denn ausschließlich "Kavanah", oder die innewohnende Absicht, die Intention,
oder wie es in der Kabbala auch heißt, "der Wille zu empfangen" bestimmen den
Grad an echtem Altruismus im seelischen Gefäß während eines Gedankens oder einer
Handlung. Diesen Grad an Selbstlosigkeit kann nur der Schöpfer bemessen und
sehen, und keine außenstehende Person. Deshalb ist es Unsinn, an Hand von
schriftlich übermittelten Aufzeichnungen kabbalistischer Praktiken, bestimmte
Handlungen, bestimmter Kabbalisten, mit einem bestimmten Ziel, nachahmen zu
wollen. Dieses Nachahmen hat überhaupt keine Wirkung bezüglich des angestrebten
Zieles der Kabbala, schöpferähnliche Eigenschaften zu erreichen.
Magie und Meditation möchte fast immer bestimmte
Wirkungen aus dem Weltlichen heraus ins Spirituelle und wieder zurück ins
Weltliche erzielen. Das wird jedoch von fast allen Betreibern dieser Techniken
bestritten, da sie sich der Tiefe der egoistischen Wünsche in ihrem Herzen nicht
bewusst sind. Kabbala hingegen möchte den Menschen so entwickeln, dass er
erkennt, dass sein spiritueller Fortschritt schon JETZT, permanent und
vollkommen vorhanden ist und perfekt gelenkt wird. Dazu braucht es keine
Meditation im herkömmlichen Sinne, denn es gibt keinen Ort im Körper oder
außerhalb des Körpers, oder irgend eine andere innere oder äußere Erscheinung,
die nicht in gleichem vollständigen Maße von Seiner Essenz durchströmt ist und
uns als Lehrer, bzw. Leerer der egoistischen kausalen Gedanken dienen
könnte.
Dennoch ist es so, dass ein Kabbalist temporär von
Oben zu einer Handlung geführt werden kann, welche der etablierten Meditation
scheinbar gleicht, und von einer außenstehenden Person unbewusster Weise als
solche bewertet wird. Jedoch arbeitet ein authentischer Kabbalist innerlich in
erster Linie mit dem was ihm zufällt, den ihn umgebenden Alltag, der auch so
etwas ähnliches wie Meditation beinhalten kann. Er nimmt ihn als gegeben an und
weiß um die geniale Schule die er darstellt. Von dort ausgehend betreibt er mit
jedem ihm von Oben zukommenden Mittel seine weiterführenden
Nachforschungen und Entwicklungen auf dem "Mittleren Weg" nach Oben, hin zu
einer Höheren Sichtweise und dem Verständnis der Schöpfung.
Frage:
Wie kann diese "innere
Arbeit im Alltag" aussehen?
Antwort:
Genau dies lehrt die Kabbala, ich werde mit meinen
unzureichenden Mitteln versuchen, es in sehr einfachen Worten kurz zu
umschreiben. Wobei ich dies nicht zutreffend schildern kann, denn jedes Leben
ist so unterschiedlich und der Schöpfer korrigiert jede Person auf so eigene
individuelle Weise, dass jeder Versuch dies allgemein zu beschreiben fehl läuft.
Trotzdem kann ich etwas wagen zu sagen, dass nicht in jedem Falle zutreffen
kann.
Zuerst einmal sollte ein sich ernsthaft mit der
Kabbala beschäftigender, werdender Mensch, zu allem was er denkt und tut eine
demütige Einstellung haben. Das ist die Grundvoraussetzung sich dem Leben und
der Kabbala anzunähern. Meist ist dies jedoch erst möglich, wenn er schon einmal
einen Kontakt mit IHM aufgebaut hat. Personen, die Heilung für körperliche
Leiden in der Kabbala suchen, Macht oder ein magisches Füllhorn, werden sich
selbst nur schaden und nicht weiterkommen.
Die innere Arbeit die man verrichtet, sollte nie mit
Hochmut oder Verachtung getan werden, sondern aufmerksam und mit dem Wissen,
dass jeder Tag, jede Begebenheit von G-tt genau so gestaltet wird, damit wir uns
korrigieren können. In diesem Alltag, in den Begegnungen mit Gedanken, Menschen,
Tieren, Gegenständen, der Natur werden wir hinsichtlich unserer Egoismen
sozusagen angestachelt und auf die Probe gestellt. Demjenigen, der auch nur eine
Sekunde vergisst, dass er stets dem Allmächtigen ganz Nahe gegenübersteht, und
der nicht vollkommen verinnerlicht hat, dass er schon JETZT ein Abbild G-ttes
darstellt, werden von IHM gütiger weise immer schwerere Prüfungen gesendet,
damit er sie bestehen möge und lernt, dass ER immerwährend alles bestimmt und zu
jeder Zeit bei uns ist, und ER uns das Leben zum Besten schenkt. Wenn wir das
langsam wahrnehmen lernen, werden wir auch in den schweren Prüfungen des Lebens
das Licht erfassen und IHM in Dankbarkeit gegenwärtig begegnen, auch während der
Prüfungen.
Wenn wir dann die Prüfung als das erkennen, was sie
sind, und sie bestehen, klettern wir eine Stufe auf der Leiter zu IHM nach oben;
wenn nicht, kommt die Prüfung noch einmal, etwas deutlicher am gleichen
spirituellen Punkt, damit wir sie diesmal bestehen können.
Bei jedem einzelnen Menschen sieht die Prüfung (das
Leben) ganz individuell aus, und jede Seele spielt eine einzigartige und höchst
bedeutsame Rolle in der gesamten Korrektur. Daher ist selbst die kleinste gute
Tat (Mitzva) äußerst wichtig. Also sollte man aufmerksam in den Tag gehen und
sich immer sehr wach über jede winzigste Kleinigkeit bewusst sein (reflektieren)
und sich bemühen, wie man denn nun das Erlebte am besten (altruistisch)
behandeln (korrigieren) kann, um IHM damit eine Freude zu bereiten. Hat man ein
"Schönes Zeichen" von IHM erfahren, kann man sich etwas leichter durch
Erinnerung immer wieder an IHN binden.
Die Kabbala und auch die Torah beschreibt diese
Vorgänge, die wir als materiellen Alltag erleben, wie sie in den spirituellen
Welten entstehen und ablaufen auf eine ganz exakte Weise. Je nachdem wie bewusst
ein Mensch gegenüber seinen inneren spirituellen Vorgängen und den von außen auf
ihn zufallenden Begebenheiten geworden ist, kann er das scheinbar nur logische
System der Kabbala, die Buchstaben und Sefiroth, die Welten und spirituellen
Stufen, wie eine Art Plan für seinen eigenen spirituellen Weg, und seine
Entwicklung zu IHM verwenden. Er erkennt sich in allem wieder und sieht die
Erscheinungen als Metapher einer ihm zuströmenden Höheren Wirklichkeit.
In einfachen Worten ausgedrückt rät die Kabbala einer
Person, nicht so viel an das materielle Wohl von sich selbst zu denken, sondern
mehr an das, was man geben kann, an das Wohl des Nächsten. Ein Schüler der
Kabbala kann erlernen über die eigene Haut hinaus zu denken, und ALLES freudvoll
durch Achtung und Aufmerksamkeit anzunehmen und zu IHM zurückzubringen. Dies ist
ein edles Ansinnen, welches natürlicherweise nicht leicht zu erreichen ist. Denn
wir alle werden ja fortdauernd mit Leiden und Freuden konfrontiert, die dieses
gegenwärtige Ziel schnell außer Acht geraten lassen.
Die Arbeit im Alltag vollzieht sich in den
Begegnungen mit Mitmenschen, mit der Schöpfung. Jeder sollte sich immer bemühen
aufrecht zu sein und gütig. Dem nächsten Anderen die Fehler die man zu erkennen
glaubt zu verzeihen, gerade wenn es so scheint, als bemerke man, dass der
Nächste aus Unwissenheit und Unreife falsch denkt oder handelt, ist dies sehr
förderlich für die spirituelle Entwicklung. Das uns innewohnende Be- und
Verurteilen (Dinim) sollte an jeder Stelle unseres Daseins reflektiert und
korrigiert werden. Das ist oft ein höchst schwieriger und schmerzhafter Prozess,
denn unser Egoismus wehrt sich vehement, wenn man ihm auf die Schliche
kommt.
Doch gerade hier, in den unaufhörlichen
Schwierigkeiten mit den "Mit-Menschen" liegt ein großes Potential, ein Schlüssel
zur Weisheit. Wer es schaffen kann die Enttäuschungen und Leiden mit den ihm
zugeführten Nächsten zu transformieren (das Problem durch das Nadelöhr, von der
7 in die 8 zu ziehen), erweckt in sich ein höheres Licht, welches ihm den
weiteren Weg von selbst erklärt.
Die rechte und hilfreiche Grundhaltung ist deshalb:
"Sich unter den Nächsten zu stellen" um zu versuchen, ihn als einen Teil des
eigenen Selbst zu erkennen, ihm in einer brüderlichen/schwesterlichen Weise zu
geben und zu teilen, auch wenn das oft unmöglich erscheint, da der andere einem
in der Regel meist einen Anlass zur Verurteilung und Unverständnis
gibt.
Der große Kabbalist Mosche Chajim Luzzatto beschreibt
dies in seinem Buch "Der Weg der Frommen" in vortrefflicher Weise, viel besser
wie ich es nur anzudeuten vermag, wie sich der Mensch mit einer rechten inneren
und äußeren Haltung die Nähe G-ttes erarbeiten kann.
Frage:
In der Kabbala spielen
Buchstaben und Zahlen eine große Rolle.
Können Sie kurz sagen, wie sich diese Bedeutung definiert?
Antwort:
Vorweg: Das was fälschlicherweise als "Zahlenmystik"
bezeichnet wird hat überhaupt nichts mit der authentischen Kabbala zu tun,
sondern dies ist falsch verstandene, egoistisch angewendete Kabbala
(Scharlatanerie), die dem unwissenden Anwender großen Schaden zufügt. Ich habe
ja bereits angedeutet, dass gerade dieser Teil der Kabbala, der sich dem Logos
so praktisch anbietet, am häufigsten missbraucht wird.
Die Bedeutung der Buchstaben und Zahlen ist ein
überaus umfangreiches Gebiet und ihr Stellenwert ist sehr groß. Kurz ausgeführt
kann ich sagen, dass den Hebräischen Buchstaben ein numerischer Zahlenwert
zugeordnet ist. Zum Beispiel ist Alef = 1, Beth = 2 ...bis Tav = 400. Mit Hilfe
dieser numerischen Zahlenwerte der Buchstaben entsteht auch eine Art Mathematik
eines Wortes oder Satzes. So kann eine aufstrebende Seele die Buchstaben, Wörter
und vor allem die Torah (das Pentateuch) tiefgreifender durch diese "Gematria"
verstehen lernen.
Die rechte Kenntnis der Gematria und die sinnvolle
auf den Schöpfer ausgerichtete Arbeit mit ihr, enthüllt sich einem Menschen erst
auf einer sehr hohen spirituellen Stufe, auf der er altruistische Eigenschaften
(also schöpferähnliche Attribute) schon ausreichend entwickelt hat. Auf diesem
Weg begibt sich ein Kabbalaschüler von der Ebene der "enthüllten Torah" zu Stufe
"Ta'amin der Torah", dies wird ihm durch die Mitzva (gute Tat) der Kabbalisten
aufgedeckt. Letztendlich kommt die feine, liebeschenkende Seele zu der
"verborgenen Torah", die nur den vollkommenen Edlen offenbart wird.
Der Einblick in den Sinn und die Kunst des
schöpferischen Umgangs mit den Verhältnissen (Zahlen) der Lautwesen (Buchstaben)
ist durch die Korrektur der Seele durch die Kabbala nur bestimmten Seelen
möglich.
Das Erfassen der Interaktion von Schöpfer zu
Geschöpf, in ihrer Vollkommenheit, in Dimensionen (Buchstaben - und
Zahlenebenen), von denen ein werdender Mensch noch nichts erahnt, wird den
feinsten Seelen durch die Gnade G-ttes mit der Kabbala gegeben.
Peter Staaden
|
* Die Gruppe "Mystik/mystische Traditionen"
bei rpi-virtuell,
der religionspädagogischen Plattform der evangelischen Kirche Deutschlands
sammelt und veröffentlicht Materialien zu den spirituellen Wegen der großen Religionen.
(http://mystik.reliprojekt.de)
der religionspädagogischen Plattform der evangelischen Kirche Deutschlands
sammelt und veröffentlicht Materialien zu den spirituellen Wegen der großen Religionen.
(http://mystik.reliprojekt.de)
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